Studientag mit Kuno Füssel «Jesus und seine Liebe zu den Kindern»
Am Samstag, 21. Oktober, durften wir zum dritten Mal einen biblischen Studientag mit Dr. Kuno Füssel durchführen. Dieses Mal ging es um die zentrale Rolle, welche die Kinder in der Praxis und Verkündigung Jesu spielen. Denn es sind die Kinder, die für Jesus in der Mitte des anbrechenden Reiches Gottes stehen. Weshalb ist das so?
Dieser Frage haben wir uns angenähert, in dem wir zunächst die Situation der Kinder zur Zeit Jesu insbesondere in den Synoptischen Evangelien, Matthäus, Markus und Lukas, systematisch angesehen haben. Da finden wir kranke und durch Gewalt und Krieg traumatisierte Kinder (Mk 5,35-43; 7,24-30; 9,14-29), Kinder, die «dienen» und arbeiten müssen (Mt 21,28-30; Mk 9,33-37) und Kinder, die in die Sklaverei verkauft werden (Mt 18,25). Aber Kinder dürfen auch spielen, was in den Evangelien nur selten vorkommt (Mt 11,16).
Die Evangelien bleiben aber nicht bei der Situationserfassung stehen, sondern beschreiben die Reaktion Jesu auf die Lage der Kinder und kennzeichnen diese ausdrücklich als «Liebe zu den Kindern»: Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: Wer ein solches Kind aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.» (Mk 9,37, weitere Textbezüge: Mk 10,13-16; Mt 11,25-30; Mt 25,31-46). Die kranken und traumatisierten Kinder werden in der Regel von Erwachsenen zu Jesus gebracht, denn sie sind in ihrer Zerbrechlichkeit und Bedürftigkeit zutiefst angewiesen auf Menschen, die sich ihnen fürsorglich und liebevoll zuwenden.
Sieht man Jesu Liebe zu den Kindern vor dem Hintergrund seines Selbstverständnisses, dass er gesandt ist, insbesondere allen Benachteiligten, Bedürftigen und Unterdrückten das Evangelium zu verkünden, sie aufzurichten und zu befreien (Lk 7,22), dann «beginnt bei den Kindern zutiefst und real, und nicht nur symbolisch, die Erneuerung einer Gesellschaft» (Kuno Füssel). Bedenkt man, dass die Evangelien unter dem Eindruck der Katastrophe des Jüdischen Krieges (66-70 n. Chr.) verfasst wurden, gewinnt Jesu Sensibilität für die Kinder eine zusätzlich dramatische Aktualität.
Isabelle Müller-Stewens