Markus Lau: Machtworte!?

Lukanische Wiedersprüche gegen das «Basta» einsamer Entscheidungen

Unter diesem Titel lud das Ressort Erwachsenenbildung der Pfarrei Mörschwil am 17. März 25 zu einem Abend mit Professor Markus Lau, Chur, ein. Ausgangspunkt war die Frage nach der Bedeutung des synodalen Prozesses, der seit einigen Jahren in der katholischen Kirche lanciert wird: eine weitere Warteschleife im Reformstau oder Aufbruch zu neuen kirchlichen Ufern? Die Apostelgeschichte des Lukas liefert Beispiele konstruktiver Konfliktaustragung, die nicht durch kirchliche Machtworte beendet werden. Markus Lau erläuterte, dass die Apostelgeschichte zwar ein Geschichtsbuch sei, jedoch getragen von einer erzählenden Perspektive. Das heisst, es geht Lukas darum die Geschichte der «Praxis der Apostel» modellhaft weiterzuerzählen: Wie müsste die reale Geschichte der Christinnen und Christen erzählt werden, wenn sie auch für kommende Zeiten vorbildlich und zukunftsweisend ist?

An zwei Beispielerzählungen reflektierte Markus Lau, wie Entscheidungen in Konfliktsituationen konstruktiv gesucht und gefunden wurden.

Der Konflikt um die Versorgung der Witwen (Apg 6,1-7) wird ausgelöst, als hellenistische Witwen bei der Versorgung in Jerusalem übersehen werden. Gerade sie waren auf Unterstützung angewiesen, weil sie, aus einem anderen Kulturraum stammend, in Jerusalem eher keine Angehörigen hatten. Die zwölf Apostel rufen die Gesamtgemeinde zusammen, also sowohl die hebräisch sprachigen wie die griechisch sprachigen Mitglieder. Die Zwölf machen einen Lösungsvorschlag mit Arbeitsteilung: 12 Diener des Wortes werden ergänzt durch 7 Diener an den Tischen. Wichtig ist, dass Verantwortung (auch die Gemeindekasse für die Finanzierung des Unterhalts) abgegeben und geteilt wird. Die Gesamtgemeinde wählt die Sieben und unterstützt die Entscheidung.

Ein anderes Beispiel für eine konstruktive Konfliktlösung, die alle Beteiligten in den Entscheidungsprozess einbezieht, liefert das sogenannte «Apostelkonzil» (Apg 15). Müssen Nichtjuden, die sich dem christlichen «Weg» anschliessen wollen, das komplette jüdische Gesetz einhalten? Auch hier wird der Konflikt in der Versammlung getroffen, die beide Seiten ausführlich zu Wort kommen lässt. In diesem Fall bietet Jakobus, leitendes Mitglied der jüdisch geprägten Jerusalemer Gemeinde einen Kompromiss an. Bestimmte Gesetze sind weiterhin einzuhalten; die Beschneidung aber ist für Christen hellenistischer Herkunft nicht erforderlich. Entscheidend ist auch hier, dass diese Entscheidung nicht nur von den Aposteln und Ältesten (Gemeindevorsteherschaft) gefällt wird, sondern auch von der Zustimmung der Gesamtgemeinde.

Fazit: Für den aktuellen synodalen Prozess lassen sich wichtige Anregungen und Strategien der Praxis der frühchristlichen Bewegung entnehmen: Entscheidungsfindung und Beschluss unter Einbeziehung aller Betroffenen; Kompromissorientierung; Aufgaben und Verantwortung werden der Problematik und Situation entsprechend geteilt. Es wäre zu wünschen, dass der aktuelle synodale Weg zu den «synodal» geprägten Quellen des Christentums zurückfindet.

Bernd Ruhe, Mörschwil